Libor, Euribor, Eonia: Änderung der Referenzzinssätze – IBOR-Sätze werden durch RFR ersetzt

In einem langjährigen Reformationsprozess wurden weltweit neue Referenzzinssätze bestimmt, welche die bisherigen Interbanken-Referenzzinssätze wie namentlich Libor und Euribor ersetzen werden bzw. bereits an ihre Stelle getreten sind.

 

Es handelt sich bei diesen IBOR-Zinssätzen um Zinssätze, zu denen sich Banken untereinander Geld leihen. Der Libor (London Interbank Offered Rate) wurde seit Mitte der 1980er Jahre an jedem Bankarbeitstag vormittags von der British Bankers‘ Association (BBA) in London festgelegt. Der Euribor (Euro Interbank Offered Rate) stellt den entsprechenden täglich ermittelten Zinssatz im Euroraum dar.

 

Hintergrund für die Änderungen sind insbesondere die in früheren Jahren bis 2012 erfolgten Manipulationen der Referenzzinssätze durch an den entsprechenden Panels beteiligte Banken. Mehrere Banken wurden mit Milliarden-Geldbußen belegt, darunter auch ein großes deutsches Kreditinstitut.

 

Von den Referenzzinssätzen sind zahlreiche Kapitalmarktprodukte abhängig. So stellen Libor oder Euribor für Anleihen, Swaps und diverse Derivate eine variable Rechengröße dar, die Vertragsbestandteil von Millionen Verträgen ist. Auch in vielen Darlehensverträgen mit variablem Zinssatz werden diese Zinssätze als Berechnungsgrundlage vereinbart.

 

Die Interbanken-Referenzzinssätze werden nunmehr durch sogenannte Risk-free-Rates = RFR ersetzt. Diese werden von den Zentralbanken veröffentlicht. In den USA wird der Libor ersetzt durch die Secured Overnight Financing Rate (SOFR), in Großbritannien gilt nun die Sterling Overnight Interbank Average Rate (SONIA, in der Schweiz die Swiss Average Rate Overnight (SARON).

 

Anstatt des Euribor wird nunmehr bei Neugeschäften der €STR (euro short-term rate) verwendet. Dieser Zinssatz wird durch die Europäische Zentralbank bestimmt. Er beruht auf der Statistik der täglichen Geldmarkttransaktionen. Hierzu heißt es in der Information der Europäischen Zentralbank u.a.:

 

The €STR is based entirely on daily confidential statistical information relating to money market transactions collected in compliance with the Money Market Statistical Reporting (MMSR) Regulation.

The list of MMSR reporting agents is provided on the MMSR webpage. There are four national central banks assisting the ECB in the collection of the input statistical information: the Deutsche Bundesbank, the Banco de España, the Banque de France, and the Banca d’Italia.

 

Neugeschäfte werden ab 2022 nur noch zu den neuen Zinssätzen angeboten. Für die Umstellung bestehender Verträge hat die ISDA (International Swaps and Derivates Association) sogenannte Fall-Back-Protokolle entwickelt, denen bereits zahlreiche Institutionen zugestimmt haben.

 

Derzeit ist noch nicht abschließend geklärt, auf welcher Grundlage und zu welchen Bedingungen bestehende Verträge, welche nicht unter die Fall-Back-Klauseln fallen, umgestellt werden.

 

Für Anleger, welche in Finanzprodukte investiert haben, die von der Umstellung betroffen sind, können sich in dieser Situation ggf. neue Verhandlungsmöglichkeiten ergeben. Evtl. kann auch, wenn von einem Vertragspartner gewünscht, eine vorzeitige Vertragsbeendigung erzielt werden.

 

Betroffene Anleger, die mit einer Vertragsanpassung konfrontiert werden, welche möglicherweise Nachteile enthält, sollten sich an einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht wenden.