BGH zu vorformulierter Bestätigung über Risikohinweise und Prospektübergabe

Durch das im Februar veröffentlichte Urteil vom 10. Januar 2019, III ZR 109/17, hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich klargestellt, dass eine in der Beitrittserklärung vorformulierte Bestätigung, wonach der Anleger Risikohinweise im Prospekt zur Kenntnis genommen hat, gemäß § 309 Nr. 12 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – unwirksam ist und daher bei der Beweiswürdigung nicht zu Lasten des Anlegers herangezogen werden darf.

Die Leitsätze des Bundesgerichtshofs – BGH – lauten:

  1. a) Eine vorformulierte Bestätigung des Anlegers, die Risikohinweise in einem Emissionsprospekt zur Kenntnis genommen zu haben, ist gemäß § 309 Nr. 12 Halbsatz 1 Buchstabe b BGB unwirksam. Hierin liegt eine die Beweislast zu seinem Nachteil ändernde Bestimmung. Es genügt, wenn die Be-weisposition des Anlegers verschlechtert wird; eine Umkehr der Beweislast ist nicht erforderlich.
  2. b) Ein Empfangsbekenntnis im Sinne von § 309 Nr. 12 Halbsatz 2 BGB muss getrennt vom sonstigen Vertragstext erteilt werden und darf keine weiteren Erklärungen umfassen.
  3. c) Die Frage, ob der Anleger genügend Zeit hatte, um einen ihm zur Information unter anderem über die Risiken des Investments zur Verfügung gestellten Prospekt zur Kenntnis zu nehmen, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Eine Regelfrist gibt es nicht.

 

Das Urteil dürfte für viele Tausende von Fällen praktische Relevanz aufweisen, da Anlagegesellschaften regelmäßig eine ähnliche Bestätigung über Risikohinweise und die Prospektübergabe in Zeichnungsscheinen, Beitrittserklärungen und Gesprächsprotokollen verwendet haben. Die Instanzgerichte haben in den letzten Jahren unterschiedlich in einer derartigen Konstellation entschieden. Daher ist die nunmehr durch ein Leitsatzurteil erfolgte Klarstellung zu begrüßen.

In dem Urteil hat der BGH auch deutlich gemacht, dass eine entsprechende Bestätigung in den Beitrittsunterlagen bei der Beweiswürdigung von den Gerichten nicht berücksichtigt werden darf. Wörtlich hat der Bundesgerichtshof hierzu in Rn. 38 des Urteils ausgeführt:

„Das Berufungsgericht wird daher im neuen Verfahren die schriftliche Erklärung des Klägers, er habe den Prospekt vollinhaltlich zur Kenntnis genommen, außer Acht zu lassen und sich nur unter Berücksichtigung des sonstigen Parteivortrags mit der Frage zu befassen haben, ob der Kläger den Prospekt rechtzeitig erhalten hat, um sich mit dessen Inhalt auseinandersetzen zu können.“

Schließlich hat der BGH nochmals betont, dass es für die Frage der rechtzeitigen Prospektübergabe nicht auf eine regelmäßig einzuhaltende Frist, sondern auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt, nach denen zu beurteilen ist, wieviel Zeit der Anleger benötigte und wieviel Zeit ihm zur Verfügung stand, um von den relevanten Umständen der Anlage Kenntnis zu nehmen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Ingo M. Dethloff führt zahlreiche Verfahren für Anleger, welche nicht zutreffend bzw. nicht rechtzeitig über die Risiken der von ihnen gezeichneten Anlage beraten wurden. Durch das neue Urteil des BGH wurde die Rechtsposition der Anleger in entsprechenden Gerichtsverfahren deutlich gestärkt.

BGH zur Kündigung bei einer Genossenschaft

Der Bundesgerichtshof hat kürzlich in zwei Entscheidungen wesentliche Grundsätze zur Kündigung bei einer Genossenschaft konkretisiert.

1. Urteil vom 16. Mai 2018
Im Urteil vom 15. Mai 2018, II ZR 2/16, hat der 2. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs klargestellt, dass Bedingungen, bei deren Eintritt die Mitgliedschaft in der Genossenschaft von selbst endet, nicht außerhalb der Satzung einzelvertraglich vereinbart werden können.

Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, bei dem eine Apothekergenossenschaft ein Blankokündigungsformular unterzeichnen ließ und zudem durch eine Leistungs- und Konditionenvereinbarung die Kündigung unter bestimmten Voraussetzungen – Einstellung der Geschäftsbeziehung oder Reduzierung des Umsatzes – unterstellte.

Nach Eintritt der so definierten Bedingungen bestätigte die Genossenschaft ihrem Mitglied die Kündigung unter Eintrag des Datums, zu dem die Kündigung wirksam werden sollte, in das Blankoformular.

Der Bundesgerichtshof hat nun in seinem Urteil vom 15. Mai 2018 klargestellt, dass Bedingungen, bei deren Eintritt die Mitgliedschaft von selbst endet, nicht außerhalb der Satzung einzelvertraglich beendet werden können.

In seinem Urteil verweist der Bundesgerichtshof auf die in der Literatur umstrittene Rechtsfrage, ob Regelungen, die unter bestimmten Bedingungen eine automatische Beendigung der Mitgliedschaft vorsehen, überhaupt durch eine Satzungsregelung zulässig wären.

Diese Rechtsfrage konnte der Bundesgerichtshof in dem Streitfall offen lassen, da es vorliegend nicht um eine entsprechende Satzungsregelung, sondern um eine einzelvertragliche Vereinbarung ging. Durch letztere kann jedenfalls keine wirksame Regelung getroffen werden, die das Ausscheiden bei dem Eintritt bestimmter Bedingungen vorsieht. Da § 68 Abs. 1 Satz 1 GenG zwingend vorsieht, dass Gründe, aus denen ein Mitglied wirksam ausgeschlossen werden kann, in der Satzung bestimmt sein müssen, ist dies auch auf bedingungsgemäß eintretende Beendigungsgründe übertragbar.

Die Entscheidung enthält zudem eine wichtige Feststellung zu der ebenfalls umstrittenen Rechtsfrage, ob Auflösungsverträge bei einer Genossenschaft zulässig sind. Hierzu führ der Bundesgerichtshof als obiter dictum aus
,dass solche Verträge jedenfalls dann zulässig sind, wenn nach dem Vertrag die Mitgliedschaft erst nach Ablauf der vorgeschriebenen Kündigungsfrist endet.

2. Urteil vom 26. April 2018
In einem Urteil vom 26. April 2018, IX ZR 56/17, hat der Bundesgerichtshof zu einer Kündigung der Mitgliedschaft durch den Insolvenzverwalter eines Genossenschaftsmitglieds Stellung genommen.

Besonderheit war hier, dass das Genossenschaftsmitglied in einer Wohnung der Genossenschaft wohnte und in der Satzung geregelt war, dass das Auseinandersetzungsguthaben erst ausgezahlt werden darf, wenn das Mietverhältnis des Mitglieds beendet ist. Nach Eintritt der Insolvenz des Genossenschaftsmitglieds hatte der Insolvenzverwalter die Kündigung erklärt. Die Genossenschaft hatte unter Hinweis auf die Satzungsregelung die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens verweigert, da das Mietverhältnis weiterhin bestand.

Hier hat der Bundesgerichtshof die Satzung insoweit als nicht anwendbar erachtet, als dadurch das Auseinandersetzungsguthaben der Insolvenzmasse dauerhaft oder auf unbestimmte Zeit entzogen wird.

Der Bundesgerichtshof hat eine Abwägung nach § 242 BGB vorgenommen und ist zu dem Schluss gekommen, dass das Interesse der Gläubiger an der Auffüllung der Masse im Ergebnis der Anwendbarkeit der Satzungsregelung entgegensteht. Demgegenüber bestehen laut dem Urteil keine schutzwürdigen Interessen einer Wohnungsgenossenschaft, den Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens nach Kündigung durch den Insolvenzverwalter auf Dauer auszuschließen, solange das ausgeschiedene Mitglied die Wohnung nicht räumt.

Der erste Leitzsatz des Urteils lautet:
„Eine Wohnungsgenossenschaft kann sich gegenüber dem Insolvenzverwalter, der die Mitgliedschaft des Schuldners in der Wohnungsgenossenschaft wirksam gekündigt hat, nicht auf eine Satzungsbestimmung berufen, nach der der Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens erst ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Nutzungsverhältnisses oder der Rückgabe des Nutzungsobjektes besteht, wenn dadurch eine Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens tat-sächlich ausgeschlossen wird, ohne dass dies durch schützenswerte Interessen der Genossenschaft oder des Schuldners gerechtfertigt ist.“

Der Bundesgerichtshof hat in dem Urteil klargestellt, dass in dem zu entscheidenden Fall weder das Interesse der Genossenschaft, ihre Liquidität zu erhalten, noch das Bestreben, die Wohnung nicht einem bereits ausgeschiedenen Mitglied zu der günstigen Genossenschaftsmiete zu überlassen, ausreichend schutzwürdig gegenüber dem Interesse der Gläubiger des ausgeschiedenen Mitglieds sind. Die Interessenabwägung des Bundesgerichtshofs gemäß § 242 BGB fällt hier also eindeutig zugunsten des Gläubigerschutzes aus.