Bankirrtum zu Ihren Gunsten: Widerruf auch bei neueren Verträgen oft möglich

Viele Darlehensnehmer haben derzeit ein ähnliches Erlebnis, wie seinerzeit bei Monopoly, als sie die Ereigniskarte „Bankirrtum zu Ihren Gunsten“ zogen, was eine hohe Auszahlung versprach. Nur mit der Auszahlung klappt es mitunter nicht so schnell, wie damals bei Monopoly.

Die Möglichkeit, in vielen Fällen den Darlehensvertrag auch längere Zeit nach Vertragsschluss noch widerrufen zu können, beruht in der Tat regelmäßig auf einem Irrtum der Bank. So wurden zwischen 2002 und 2010 nach Schätzungen von Verbraucherzentralen mehr als die Hälfte der in Verbraucherdarlehensverträgen zwingend vorgeschriebenen Widerrufsbelehrungen fehlerhaft formuliert. Als tückisch erwies sich dabei für die Rechtsabteilungen vieler Banken der Umstand, dass über viele Jahre die der BGB-Informationspflichten-Verordnung beigefügte Musterbelehrung selbst einen gravierenden Fehler enthielt. Denn dort war die unklare Formulierung zum Fristbeginn mit den Worten „beginnt frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung“ vorgegeben.

Diejenigen Banken, welche die Musterbelehrung in vollem Umfang inhaltlich und der äußeren Gestaltung nach übernommen haben, können sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Vertrauensschutz berufen. In diesen Fällen ist der Widerruf daher nach dem Ablauf von zwei Wochen nicht mehr möglich. Diese Fälle sind jedoch äußerst selten.

In der überwiegenden Zahl der Fälle haben die Banken die Musterbelehrung nicht vollständig bzw. mit diversen Änderungen des Inhalts oder der Gestaltung übernommen, haben sie oft selbst „verschlimmbessert“. In dieser Konstellation ist eine Widerrufsbelehrung, in der die Formulierung „beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ auftaucht, falsch. Hier behandelt der Bundesgerichtshof Abweichungen von der Musterbelehrung sehr streng. Unabhängig davon gibt es noch viele andere Formulierungen, welche für den Verbraucher unklar und daher fehlerhaft sind. Aus diesem Grund bestehen bei den meisten Darlehensverträgen bis heute gute Chancen, den Widerruf erfolgreich durchzusetzen.

Auch bei neueren Darlehensverträgen, die meist eine sogenannte „Widerrufsinformation“ enthalten, ist häufig ein Widerruf möglich. Zwar ist die Belehrung isoliert betrachtet hier meist korrekt. Immer wieder aber weichen etwa Angaben in dem beigefügten Merkblatt von der Widerrufsinformation im Darlehensvertrag ab, was verwirrend sein kann. Zudem werden auch die nach dem neuen Recht seit dem 30. Juli 2010 erforderlichen Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB nicht immer korrekt und vollständig gemacht. In solchen Fällen hat die Widerrufsfrist ebenfalls nicht zu laufen begonnen.

Die Strategie vieler Banken, zunächst einmal den Widerruf zurückzuweisen, dürfte einem verständlichen wirtschaftlichen Kalkül entspringen. Denn viele Darlehensnehmer lassen sich so von ihrem Widerruf abschrecken und denken gar nicht daran, einen Rechtsanwalt einzuschalten und ggf. zu klagen. Rechtlich bedenklich erscheint dieses Verhalten jedoch, wenn die Fehlerhaftigkeit der konkret betroffenen Widerrufsbelehrung bereits wiederholt gerichtlich bestätigt oder gar rechtskräftig festgestellt wurde.

Eine andere Strategie von Banken, welche teils wohl versucht haben, durch die Ablehnung von Neukunden, welche vorher bei einer anderen Bank den Widerruf erklärt haben, insgesamt die Widerrufe einzudämmen, hat sich nicht bewährt. Denn es finden sich immer noch genug Banken, die bereit sind, eine solche Marktlücke zu füllen. Im Bereich der Sparkassen wurde teils sogar eine Wechselprämie angeboten.

Letztlich dürfte es oft sowohl im Banken- als auch im Kundeninteresse sein, in den Widerrufsfällen einvernehmliche Lösungen zu finden. Viele Gerichte sind derzeit schon überlastet mit entsprechenden Klagen. Überdies dürfte sich eine kategorische Ablehnung von Widerrufen, wie sie immer noch von einigen Banken praktiziert wird, mittelfristig nachteilig auf die Kundenakzeptanz auswirken. Durch eine einvernehmliche Lösung gewinnen die Darlehensnehmer schnell Klarheit und müssen nicht in einem ggf. jahrelangen Prozess auf das Ergebnis warten.

Lehnt die Bank den Widerruf ab, bleibt in der Regel nur der Weg zum Rechtsanwalt. Häufig werden die Kosten in einem solchen Fall von der Rechtsschutzversicherung (RSV) übernommen. Eine genauere Prüfung ist allerdings erforderlich, wenn es sich um die Finanzierung einer Immobilie handelt, die fremdvermietet ist oder selbst erbaut wurde. In letzterem Falle greift bei Versicherungsverträgen, welche ab 1994 abgeschlossen wurden, in der Regel der Ausschluss des Baurisikos. Wurde bereits eine fertig erbaute Immobilie erworben, sind die Chancen für eine Kostendeckung durch die RSV deutlich höher.

Rechtsanwalt Ingo M. Dethloff bearbeitet zahlreiche Widerrufsfälle und führt viele Gerichtsverfahren in diesem Bereich. Er hat auch bereits viele außergerichtliche Erfolge für die Darlehensnehmer erzielt.